Methoden, Autorität zu entwickeln
nach: Helmut Dittrich: Jeder kann Karriere machen, München 1990

Ein Lehrling ist auszubilden.  Der Wissensunterschied zu seinem Lehrmeister ist riesengroß.  Dann wird das beste Ergebnis erzielt, wenn der Meister vormacht und der Lehrling »nachmacht«, übt und korrigiert wird, eigene Verbesserungen der Arbeit finden darf.
Deshalb nennt man diese Führungsform den handwerksmeisterlichen Führungsstil.  Dort, in der Lehrwerkstatt, ist sie angebracht.  Lassen sich gestandene, erfahrene Fachleute eine derartige Bevormundung gefallen?  Oder kann heute ein Vorgesetzter einem Spezialisten fachlich etwas »vormachen«?  Hier hilft nur die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Achtung vor dem Wissen und dem Können der anderen.
Menschen zu beeinflussen - das ist noch lange nicht alles, was wir unter Führen verstehen sollten.  Aber Beeinflussung ist ein wesentlicher Teil der Führung. Wir werden hier noch etwas »tiefer graben« müssen.
Ohne Autorität kein Aufstieg.
Was ist aber Autorität?
Ein autoritäres Verhalten auf keinen Fall.  Ist es Geltung?  Wir haben über Jahre hinweg in Managerkursen Tests durchgeführt, in denen die Teilnehmer die Eigenschaften aufführen mußten, die eine Führungspersönlichkeit mit Autorität besitzt.
(* siehe Nachbemerkung)

  1. An erster Stelle kam die Wahrhaftigkeit; eine Autorität hat es nicht nötig zu mogeln, zu schummeln oder zu lügen.
  2. An zweiter Stelle stand die Anerkennung der menschlichen Qualifikationen, zu denen Hilfsbereitschaft, Zuvorkommenheit und Verläßlichkeit zählen.
  3. Erst an dritter Stelle stand die fachliche Qualifikation, die offensichtlich bei einer Autorität als selbstverständlich vorausgesetzt wird.


· Lassen Sie sich nie auf eine krumme Sache ein, auch nicht auf die kleinste.

· Wenn etwas Unangenehmes passiert, stehen Sie »frauhaft« oder »mannhaft« dazu, und weichen Sie nicht aus.

· Sie müssen absolut verläßlich sein.

· Wenn jemand nicht weiter weiß, dann sind Sie die Adresse, wo immer Rat und Hilfe - ohne Hintergedanken - zu haben sind.

· Begeht ein Mitarbeiter (oder Schüler) einen Fehler, so werden Sie unter vier Augen die Sache ausfechten, das geht andere gar nichts an.

· Wer es verdient hat, der erhält Lob, und das nicht zu knapp auch einmal nicht nur unter vier Augen.

· Wenn Sie etwas zusagen, dann setzen Sie allen Ehrgeiz hinein, daß es auch klappt.

· Sie haben ein immenses Fachwissen, in der Übersicht und im Detail, lassen aber auch das Können anderer gelten. 

Sie arbeiten im Team als Erster unter Gleichen.  Sie lassen jeden zu Wort kommen und seine Ansichten begründen.
Sie sind konsequent in Ihrem Handeln.  Wer zu wenig Leistung bringt, den werden Sie schon zurechtbiegen - oder entfernen.
Wenn Sie das dann einige Jahre durchgehalten haben, dann werden Sie sicher als eine Autorität auf Ihrem Gebiet gelten, die Ansehen genießt. Gewiß, eine Autorität kann auch ein Wissenschaftler werden, der im stillen Labor im kleinsten Kreise Hervorragendes schafft.  Hier ist aber die Autorität gemeint, die bei der Führung von Menschen wichtig ist.
Autorität ist zerbrechlicher als das feinste Glas. Ein einziger grober Fehler, und sie ist dahin, oft unwiederbringlich.

aus : Helmut Dittrich : Jeder kann Karriere machen, München 1990



* Nachbemerkung :

Eine Umfrage unter mehr als 5000 Schülerinnen und Schülern zu der Fragestellung
„Wie ist ein guter Lehrer?“
brachte das folgende Ergebnis (in dieser Reihenfolge) :

1. Er muss gerecht sein
2. Man muss mit ihm reden können
3. Er soll fachlich gut sein / den Schülern etwas beibringen

Vergleich Sie dieses „Anforderungsprofil“ doch einmal mit dem eines Managers!
Alles klar?

Übrigens : Stellen Sie die gleiche Frage Ihren Schülern! Sie werden erstaunt sein!